Vom 28. bis 30. Juni konnten die Kölner Jugendlichen Anton, Josephine, Kjell, Mattis und Maya, die fünf SPD-Landtagsabgeordneten Martin Börschel, Susana dos Santos Herrmann, Gabriele Hammelrath, Andreas Kossiski und Jochen Ott beim diesjährigen Jugend-Landtag NRW vertreten. In einem Interview mit der Vorsitzenden der Kölner Jusos, Malika Jakobs-Neumeier, berichten sie von ihrer Erkenntnis, dass Abgeordnete doch kein „relaxtes Leben“ haben, Politik ein Geschäft der Kompromisse ist und dem Gefühl, im Plenarsaal vor 197 Jugend-Abgeordneten zu sprechen.
Malika Jakobs-Neumeier: Hallo zusammen. Zunächst einmal vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, um mir von euren drei Tagen im Landtag zu berichten. Ich starte direkt mit der ersten Frage. Warum habt ihr euch für den Jugend-Landtag beworben?
Mattis: Die Teilnahme am Jugend-Landtag bietet Jugendlichen eine einzigartige Gelegenheit, um hinter die Kulissen des politischen Geschäfts zu schauen. Wir wollten einmal selbst das parlamentarische Verfahren mit Ausschusssitzungen, Fraktionssitzungen und einer Plenardebatte erleben, aber auch am Meinungsaustausch zwischen Jugendlichen teilnehmen. Aber nicht alle von uns kannten den Jugend-Landtag vorher. Beispielsweise wurde Kjell von der Abgeordneten Gabriele Hammelrath angesprochen, ob der denn nicht Lust hätte – die Chance hat er sich natürlich nicht entgehen lassen.
Malika J.-N.: Engagiert ihr euch in der Freizeit im politischen Bereich?
Josephine: Ja, wenn auch unterschiedlich lang, sind wir alle irgendwie aktiv. Einige von uns sind bei den Kölner Jusos und in der Schülerverwaltung aktiv. Insbesondere Letztere stellt für unsere Altersgruppe ein wichtiges Instrument dar, um uns Jugendlichen Gehör zu verschaffen.
Malika J.-N.: Nun direkt zu den Themen des Jugend-Landtags. Welche politischen Themen wurden an den drei Tagen behandelt? Und wer hat diese bestimmt?
Anton: Uns wurden im Vorfeld zehn Themen vorgelegt, von denen wir zwei priorisieren durften. Zusätzlich durften wir Eilanträge oder Aktuelle Stunden während des Jugend-Landtags beantragen. Wir Jugendlichen haben unsere Themen somit selber bestimmt. Befasst haben wir uns ausführlich mit der Einführung eines landesweiten Azubi-Tickets und der Digitalisierung an Schulen – superwichtiges Thema mit viel Nachholbedarf. Bei der Plenarsitzung gab es außerdem eine sogenannte Aktuelle Stunde zur Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, die wir mit den Fraktionen der Grünen und der FDP beantragt haben, sowie ein Eilantrag zum neuen Polizeigesetz in NRW.
Malika J.-N.: Die Themen klingen äußerst interessant. Waren das auch eure favorisierten Themen?
Maya: Interessant waren sie, aber unsere favorisierten Themen waren es leider nicht beziehungsweise nur teilweise. Das Thema „Heimat“ hätten wir sehr spannend gefunden. Ich hätte dort gerne betont, dass Heimat Vielfältigkeit und Austausch von verschiedenen Kulturen bedeutet.
Josephine: Ich hätte gerne die Fragen gestellt, inwieweit und auf welche Art das Thema Heimat und Heimatbewusstsein im Unterricht vermittelt werden soll. Ebenso interessant wäre für uns das Thema „Quote von unter 40-Jährigen in politischen Ämtern“ gewesen.
Malika J.-N.: Wie wurden die Themen behandelt? Im Plenum, in Ausschüssen oder in beiden Runden?
Kjell: Unterschiedlich. Die im Vorfeld priorisierten Themen haben wir im Plenum und in den Ausschüssen behandelt. Die Eilanträge und die Aktuelle Stunde haben wir hingegen bei den Fraktionssitzungen vorbereitet und im Plenum diskutiert.
Malika J.-N.: Hab ihr euch im Vorfeld Ziele gesetzt, die ihr in den drei Tagen erreicht habt? Zum Beispiel eine bestimmte Verantwortung innerhalb der Fraktion zu übernehmen?
Maya: Mattis und ich hatten uns vorgenommen, eine Rede im Plenarsaal zu halten – dies haben wir dann auch getan. Beispielsweise hat Mattis zum neuen Polizeigesetz in NRW gesprochen. Aber auch die Devisen „Watch&Learn“ und „Denken statt Lenken“ wurden vertreten und nicht zuletzt (überparteiliche) Kontakte geknüpft. Als Jugend-MdL der SPD-Fraktion haben wir für uns beschlossen, zukünftig im Austausch zu sein.
Malika J.-N.: Rückblickend würde mich interessieren, welche Erkenntnisse ihr mitgenommen habt?
Kjell: Dass Politik viel anstrengender ist als wir gedacht hätten und auch viel mehr Arbeit. Es ist ein Geschäft der Kompromisse, bei dem man eigentlich nie die eigene Linie vollständig umsetzen kann, sondern um jeden noch so kleinen Zusatz ringen muss. Die Erkenntnis, dass man mit einer fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit zu einem guten Ergebnis kommen kann, was in einer Demokratie oft hilft, ist sehr wichtig. Und Abgeordnete haben kein so relaxtes Leben, wie es manchmal in der Öffentlichkeit dargestellt wird.
Malika J.-N.: Was könnt ihr anderen Jugendlichen mit auf den Weg geben, die sich für den nächsten Jugend-Landtag bewerben wollen?
Mattis: Traut euch! Der Jugend-Landtag ist eine unfassbare Erfahrung, durch die man die politischen Verfahren besser kennenlernt und gleichzeitig unfassbar viel Spaß haben kann. Die Politik tangiert alle Lebensbereiche und daher ist es sehr wichtig zu verstehen, wie Politik funktioniert.
Kjell: Einfach machen! Es haben nicht viele Jugendliche die Chance und da ist es egal, ob man mit großem Selbstbewusstsein anreist und Fraktionsvorsitzende*r werden will oder, wie zum Beispiel ich, sich „nur“ innerhalb der Fraktion einbringt und von den anderen für die Zukunft lernt.
Malika J.-N.: Könnt ihr mir zu Abschluss verraten, welcher Moment für euch persönlich besonders schön war? Und, stellt euch vor, ihr habt einen Wunsch frei. Was würdet ihr euch von der Landesregierung wünschen?
Mattis: Der gesamte Jugend-Landtag war eine unglaubliche Erfahrung. Einzigartig war natürlich die Möglichkeit eine Rede im Plenarsaal halten zu dürfen. Ich wünsche mir ein landesweites Azubi-Ticket. Gerade die öffentliche Anhörung hat uns die Bedeutung eines solchen Tickets nochmal vor Augen geführt und deshalb bin ich auch besonders froh, dass der Jugend-Landtag einen Gesetzesentwurf dazu verabschiedet hat.
Anton: Soll ich das ehrlich beantworten? Sicher? Nun, wenn das so ist:
Liebe Landesregierung, ich würde mir wünschen, dass Schaumschlägerei und Populismus nicht länger auf der Agenda unserer Politiker stehen würden…Geht nicht, aber trotzdem danke!
Kjell: Ich würde mir eine sozialere und humanitärere Politik wünschen. Das Polizeigesetz: nicht rechtens! Die Ernennung vom Medienminister und der Landwirtschaftsministerin: sehr unklug! Pläne zur Abschaffung des Sozialtickets: ein Rohrkrepierer!
Maya: Als ich die Rede im Plenum gehalten habe. Ich habe noch nie zuvor vor so vielen Menschen gesprochen und das hat echt Spaß gemacht. Ich wünsche mir von der Landesregierung, dass bei Entscheidungen, welche die Jugend betreffen, auch mehr der Jugend zugehört wird. Denn wir wissen am besten, was wir brauchen und was uns wichtig ist.