Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am Beispiel unseres Porzer Bezirksfraktionsvorsitzenden Christian Joisten über die Herausforderungen, die kommunale Ehrenamtler in der Politik bewältigen müssen, um erfolgreiche Arbeit leisten zu können.
Die ehrenamtliche Tätigkeit als Rats-, Kreistagsmitglied oder Mitglied einer Bezirksvertretung oder eines Ausschusses ist nur unter Einschränkungen im persönlichen Umfeld und der beruflichen Verpflichtungen vereinbar.
Grundsätzlich wird jedem Arbeitnehmer nach §44 Abs.2 GO die Möglichkeit eines Freistellungsanspruches gewährleistet. Für Arbeitnehmer mit Gleitzeit ist dieser Anspruch aber derzeit nicht geltend zu machen. Versäumte Arbeitsverpflichtungen müssen entweder im Voraus erbracht oder aber nachgeholt werden. Die Möglichkeit, flexibel auf persönliche und familiäre Umstände zu reagieren und durch Mehrarbeit ein Überstundenkonto aufzubauen, wie bei der Gleitzeit üblich, wird den Arbeitnehmern durch die derzeitige gesetzliche Regelung genommen.
Dazu kommt weiterhin, dass die Mandatsträger zu wichtigen Fragen rechtzeitige und zuverlässige Informationen oft zu spät erhalten. Eine umfangreiche Einarbeitungszeit ist nicht oder selten zu gewährleisten. Den gestiegenen inhaltlichen Ansprüchen kann durch angemessene Fort- und Weiterbildung in rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen Rechnung getragen werden.
Dazu MdL Jochen Ott:
„Um dies zu ermöglichen, braucht es aber dringend mehr, als die Regelungen des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes oder die Sonderurlaubsverordnung für Beamte. Eine Lösung zu diesem Problemfeld stellt der Gesetzentwurf aller vier Fraktionen des Landtags dar:
Ziel ist unter anderem für die Gleitzeit, die nicht zur Kernarbeitszeit gehört, einen Freistellungsanspruch für die Mandatsträger von 50% der für die Mandatswahrnehmung aufgewendeten Zeit durch Zeitgutschrift auf dem Gleitzeitkonto zu gewährleisten. Der Mandatsträger soll ebenfalls von der Arbeit freigestellt werden, wenn er auf „Veranlassung des Rates“ in Organe und Gremien von juristischen Personen und Vereinigungen entsandt wird. Ein Urlaubsanspruch von 8 Arbeitstagen und die Erstattung für den Verdienstausfall und Kinderbetreuung durch die Kommune sind weitere Ergänzungen dieses Gesetzes.
Damit wollen wir die kommunale Selbstverwaltung nachhaltig stärken, in dem wir das politische Ehrenamt attraktiver machen, um auch den persönlichen und familiären Anforderungen der Mandatsträger Rechnung zu tragen.“
Hier der KStA-Bericht vom 01.03.2012:
KOMMUNALPOLITIK: Viel Lobbyarbeit und Hartnäckigkeit
Bezirksvertreter Christian Joisten über die Motivation, sich ehrenamtlich für den Stadtbezirk zu engagieren (von HERBERT DIETHOLD, KStA)
Porz. "Dinge, die einen stören, ärgern, oder die nach Veränderung schreien auch tatsächlich zu verändern", so beschreibt Christian Joisten, Bezirksvertreter und Vorsitzender der Porzer SPD-Fraktion, seine Motivation, sich für den Stadtbezirk politisch einzusetzen.
Schon während der Schule hat es den Klassensprecher in die Politik getrieben. In der SPD sei es erst schwierig gewesen, Anschluss zu finden, aber mit der Zeit konnte sich Joisten in verschiedenen Bereichen engagieren. 2005 übernahm er den Vorsitz des Ortsvereins Porz-Wahn, Wahnheide, Lind, Libur, wurde 2009 Mitglied der Bezirksfraktion und ein Jahr später deren Fraktionsvorsitzender.
"Als Bezirksvertreter ist mir wichtig, mein Umfeld mit zu gestalten, auch wenn es sich manchmal um banal erscheinende Dinge oder individuelle Probleme geht", sagt Joisten. In Porz als ehemaliger Stadt mit Innenstadt und Geschäften sieht Joisten eine besondere Herausforderung – und zugleich viel Potenzial sowie eine große Chance, "etwas Neues zu denken und zu entwickeln".
Allerdings ist sich der Kommunalpolitiker, der auch beruflich stark eingespannt ist, darüber im Klaren: "Eine uneingeschränkte Möglichkeit zur Einflussnahme haben wir hier in der Bezirksvertretung nicht." Oft würden Kommunalpolitiker verantwortlich gemacht, wenn nichts passiere.
"Viele Dinge können wir leider nicht beeinflussen", sagt er; beispielsweise, wenn Entscheidungen aus der Bezirksvertretung später vom Rat der Stadt Köln oder von Bund oder Land abgelehnt werden. "Es kommt schon Frust auf, wenn wir etwas beschließen, und die Verwaltung, die das umsetzen soll, nicht handelt", macht Joisten deutlich. Dann sei die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung durchaus nachvollziehbar.
"Lobbyarbeit und konsequent dran bleiben ist das einzige, was hilft", ist die Erfahrung des Bezirkspolitikers, der seinen wöchentlichen Zeitaufwand für das Ehrenamt in der Bezirksvertretung auf mehr als 20 bis 30 Stunden schätzt. Von außerhalb würde aber kaum wahrgenommen, wenn Bezirksvertreter bei Treffen mit Verwaltung, Ausschüssen, Bürgern, Vereinen und Verbänden versuchen, Dinge auf dem "kleinen Dienstweg zu erledigen". Das alles koste viel von der ohnehin kaum vorhanden Freizeit, lohne sich aber und mache vieles leichter.
"Wenn man sich auf das Spiel einlässt, kann man auch was bewirken", sagt Joisten, der nicht zuletzt aufgrund seines Amtes Mitglied in rund 20 Vereinen ist. Jeder müsse seine Aufgaben in der Bezirkspolitik aber nach seinen persönlichen Interessen und Vorstellungen wahrnehmen – der eine mit mehr, der andere mit weniger Einsatz. Die großen Parteien in der BV seien gut aufgestellt und vor Ort präsent. "Pro Köln findet hingegen in Porz politisch nicht statt", sagt Joisten. Seinen Koalitionskollegen von Bündnis 90/Die Grünen, aber auch der CDU als Opposition sowie der FDP und den Linken attestiert Joisten grundsätzlich eine gute, konstruktive Arbeit in der Bezirksvertretung. Trotz der üblichen und natürlichen Parteienstreitigkeiten würden am Ende alle an einem Strang ziehen, zum Wohl des Stadtbezirks:
"Auch wenn es nicht so aussieht, etwa 80 Prozent der Entscheidungen fallen einstimmig oder mit großer Mehrheit."Viel Zeit für ein Privatleben bleibt dem Projektmanager einer Unternehmensberatung für Sicherheitsmanagement und Mitinhaber einer eigenen Firma bei alle dem kaum. "Morgens geht es um 8 Uhr los, vor 22 Uhr bin ich kaum zu Hause und danach gibt es noch Schreibtischarbeit. Viele Menschen machen sich schon über meine Mail-Zeiten nach Mitternacht lustig", sagt Joisten. Pro Wochenende gibt es durchschnittlich zwei bis drei politisch bedingte Termine auf Veranstaltungen, bei Vereinen und caritativen Verbänden. Zu Karneval und während der "Sommerfestzeit" könne das schon mal gut das Doppelte werden.
"Ich versuche nach Möglichkeit, allen Einladungen zu folgen", oft ließen sich so auch gut und ungezwungen Kontakte bei einem Bier knüpfen – eben wichtige Lobbyarbeit.
Ohne ein hohes Maß an Idealismus lässt sich das Ehrenamt als engagiertes Mitglied der Bezirksvertretung kaum ausfüllen.
"Das muss aber jeder Bezirksvertreter für sich entscheiden", macht der Politiker deutlich. Denn das Privatleben bleibe schon auf der Strecke und der Spagat zwischen Hauptberuf, Ehrenamt und Privatem sei groß. Rückhalt bekommt Joisten bei seinem Chef, und vor allem seine Frau bringe ein Höchstmaß an Verständnis auf.
"Wenn wir am Wochenende einen halben Tag zusammen haben, ist das oft schon gut", sagt Joisten. Und finanziell sei das ganze ein Zuschussgeschäft: Der Aufwandsentschädigung stünden neben hohen Fahrtkosten, Ausgaben auf Veranstaltungen und für Spenden sowie Mitgliedsbeiträge entgegen – das geht meist ins Minus.