
Der Landtag hat vor wenigen Stunden den rot-grünen Antrag „Sozialdumping auf Flughäfen verhindern“ beschlossen. Die Europäische Kommission will noch in diesem Jahr im Rahmen eines ‚Flughafenpakets‘ einen Vorschlag über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft vorlegen. Es ist zu befürchten, dass die angestrebten neuen EU-Regelungen die Tendenz zu Sozialdumping auf Flughäfen weiter verstärken werden.
Hierzu sprach Landtagsabgeordneter Jochen Ott vor dem Düsseldorfer Plenum:
„Für den Großteil der Flugpassagiere ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ihre Koffer an ihrem Reiseziel unbeschädigt und rechtzeitig ankommen. Doch welcher Kraftakt oft hinter den Arbeitsabläufen steckt und welcher Stress die Einhaltung der vorgeschriebenen Zeiten für diese Arbeitsabläufe bedeutet, wird oft ignoriert. Es sind die Beschäftigten der Bodenabfertigungsdienste an den Flughäfen unseres Landes, die bei Wind und Wetter unter schwersten Arbeitsbedingungen dafür sorgen, dass wir unser Gepäck rechtzeitig in Empfang nehmen können. Und genau über die Arbeit dieser Menschen will die Europäische Kommission nun durch die beabsichtigte Überarbeitung der Richtlinie 96/97/EG über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Gemeinschaft entscheiden. Ziel ist die vollständige Marktöffnung.
Schon der erste Versuch der EU die Bodenabfertigungsdienste zu privatisieren endete in einer merklichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Die beabsichtigten Verbesserungen durch die Überarbeitung der Richtlinie bedeutet nichts anderes als Sozialdumping an deutschen Flughäfen. An einer solchen indirekten Lohndrückerei werden wir uns nicht beteiligen.
Die Marktliberalisierung darf den Arbeitnehmerschutz nicht aushebeln. Der Marktanteil am Geschäft kann nur durch erhebliche Zugeständnisse der Beschäftigten auf der Einkommensseite und durch Leistungsverdichtung erhalten bleiben. Die Öffnung des Markts macht nur dann Sinn, wenn der damit verbundene Wettbewerbsdruck für die Unternehmen nicht ruinös wird.
Der Einsatz von Leiharbeitsfirmen darf nicht zum Zweck des Sozialdumpings stattfinden. Ein wichtiges Ziel ist, dass vor allem die Sicherheit und die Qualität der Abfertigung nicht darunter leiden. Nicht selten sind verschlechterte Arbeitsbedingungen, wie unsoziale Arbeitszeiten und Pausenreduzierung, die Folge der europäischen Regelung. Dies führt zu immer schlechter motiviertem und nicht selten überlastetem Personal. Gerade die Sicherheitsfrage kann in diesem Zusammenhang nicht hoch genug bewertet werden. Wenn die Sicherheit an Flughäfen will, muss auf geringe Fluktuation und gute Motivation beim Personal der Bodenabfertigungsdienste achten. Mit Hungerlöhnen ist das nicht zu machen.
Der entstehende Preiskampf bei den Airlines darf nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen werden. Die Gefahr steigt, dass sich die Airlines noch stärker als bisher den preisgünstigsten Anbieter von Dienstleistungen für ihre Bodenabfertigung aussuchen. Die Konsequenz ist nicht zuletzt, dass die Bodendienstleister den Preisdruck entsprechend an ihr Personal weitergeben. Dies geschieht zum einen durch die Senkung von Lohn und Sozialkosten, sowie durch den Abbau von Stellen. Die Schaffung eines Niedriglohnbereichs führt dazu, dass der Lohn letztlich nicht mehr zum Leben reicht.
Die Sicherung von Arbeitsstellen und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen im Bereich der Bodenabfertigungsdienste an Flughäfen müssen auf die Tagesordnung kommen. Die Auswirkungen
der europäischen Richtlinie zeigen wieder einmal die Notwendigkeit einer Leiharbeitsreform. Diese muss auf ihren Ursprung zurückgeführt werden. Sie muss wieder der Abdeckung von zeitlich befristeten Spitzenbedarfen dienen.
Denkbare Alternativen wären unter anderem Unternehmen zum Markt zuzulassen, die ihre Beschäftigten nach den ortsüblichen Löhnen bezahlen oder die Einführung eines angemessenen Mindestlohnes. Schon heute ermöglicht die Regelung den Mitgliedstaaten eine europaweite Angleichung der Arbeitsbedingungen des Flughafenpersonals zu betreiben.
In diesem Zusammenhang unterstützen wir auch die Forderungen von ver.di aber auch der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. Die betroffenen Unternehmer fordern von der EU Kommission vor allem eine Garantieverpflichtung für Sicherheit und krisenfeste Koordination der Bodenverkehrsdienste. Die Vorgabe von Mindest-Qualitätsstandards sichert eine Mindestqualität. Darüber hinaus stehen die Zulassung weiterer Dienstleister und die Freigabe der Selbstabfertigung im völligen Wiederspruch mit der beabsichtigten Qualitätssteigerung und der Stressfestigkeit der Dienste.
Das subcontracting Verbot für Flughäfen, so meinen die Unternehmer, stellt eine Wettbewerbsverzerrung und eine unverhältnismäßige Ungleichbehandlung für die Flughäfen dar. Subcontracting soll nach der EU Richtlinie für Flughäfen verboten sein, für Drittanbieter jedoch
erlaubt.
Wir appellieren an das EU- Parlament:
Ziel bei allen Forderungen und Überlegungen muss sein, dass die EU für die Menschen da ist und nicht durch Richtlinien, wie dieser, den Beschäftigten das wirtschaftliche Überleben fast unmöglich macht.
Wer eine starke EU will, muss nicht nur eine Wirtschaftsunion wollen, sondern auch eine Sozialunion. In einer solchen EU darf Lohndrückerei keinen Platz haben.“