Vom Plakatunfall und der „Aussitzerpartei“ DAP

MdL Jochen Ott
MdL Jochen Ott

In aller Form entschuldigte sich Jochen Ott für die Blessur, eine spätere eMail der Geschädigten an den heutigen Landtagsabgeordneten Ott blieb allerdings dann unbeantwortet.

Die inzwischen genesene Wählerin spielte nicht die Gekränkte, sondern mit dem Gedanken, eine neue Partei zu gründen: DAP, Deutsche Aussitzer Partei.

Dies ließ der Landtagsabgeordnete allerdings nicht auf sich sitzen, wie der nachfolgende Schriftwechsel zeigt.

Viel Spaß bei der Lektüre …

Sehr geehrte Frau Z.,

und ob ich mich an ihren „Unfall“ mit meinem Plakat noch gut erinnern kann, ebenso an unser darauf folgendes Gespräch, bei dem Sie mich tatsächlich mit einigen Fragen „kalt erwischt“ haben.

Ohne Erklärung hierfür muss ich gestehen, dass mich Ihre eMail seinerzeit allerdings leider nicht erreicht hat. Erst jetzt wurde ich von unseren Poller Genossen wieder an den Vorgang erinnert und auf Ihre beabsichtigte „Parteigründung“ hingewiesen.

Für mich bedeutet das natürlich, Ihnen heute „Rede und Anwort“ zu stehen:

Ich freue mich persönlich, dass Sie die Blessur weggesteckt haben, und ich bin als Kölner SPD-Chef erleichtert, dass es bisher nicht zur Neugründung Ihrer Partei „DAP“ (Deutsche Aussitzer Partei) gekommen ist. Warum auch?

Gibt es nicht genügend Menschen in und außerhalb von Parteien, die den lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als Probleme „auszusitzen“?

Dazu zählen Sie überhaupt nicht, denn schließlich laufen Sie gegen Plakate, besuchen Wahlkampfveranstaltungen, frequentieren Seniorennetzwerke, um Kaffee zu trinken und schreiben Satiren!

Wenn für die DAP „SITZEN“ das Wort aller Wörter ist, muss „SITZEN“ die Tätigkeit aller Tätigkeiten sein, und zwar so, wie Sie es im Programm verkünden, in Form des aktiven Aussitzens, welches eine Form des „passiven Handelns“ darstellt.

Wozu braucht man aber bei CDU, FDP (und anderen Parteien ohne die Zeichen „SPD“) dann noch eine DAP?

Unser jüngster Parteitag in Köln-Chorweiler mit knapp 280 Delegierten aus allen Kölner SPD-Ortsvereinen hat ganz klar bewiesen, dass WIR die Weltmeister im „Sitzen“ sind, die trotzdem schwer aktiv werden, wenn es um politische Problemlösungen geht – und zwar von morgens um 10 bis abends gegen 19 Uhr, manchmal in kleineren SITZUNGEN auch noch viel länger!

Und weil Sie doch ohnehin schon auf einem kuscheligen roten Sofa sitzen, passen Sie bei uns wie die „Faust aufs Auge“.

Plätze haben wir allemal noch frei, so dass Sie herzlich eingeladen sind, gemeinsam mit uns in langen SITZUNGEN über Verbesserungen nachzudenken; etwa über die Neugestaltung künftiger Politikerplakate, die man an den Ecken runden sollte, damit es keine schmerzhaften Zusammenstöße mehr mit Anhängerköpfen gibt.

In diesem Sinne möchte ich mich nochmals für alles entschuldigen, was ich Ihnen zugefügt habe.
Und bedanken möchte ich mich, dass Sie mich nicht vergessen haben.

Mit solidarischen, herzlichen Grüßen
Ihr
Jochen Ott
(in SITZUNGsfreier Zeit im Sitzen geschrieben)

Sehr geehrter Herr Ott,

ich bin die Frau mit der Blessur auf der Stirn. Erinnern Sie sich an mich? Ich verletzte mich an einem Wahlplakat mit Ihrem Konterfei. Zur Entschädigung durfte ich einen Kaffee mit Ihnen trinken und Ihnen Fragen stellen, die Sie teils „eiskalt erwischten“, wie Sie sagten.

Nun habe ich lange darüber nachgedacht, wie man einen Wahlkampf ohne die offensichtlich so gefährlichen Wahlplakate durchführen könnte. Ich mußte eine neue Partei gründen, die auf ganz anderen Prinzipien aufbaut. Die Gründungsvesammlung hat bereits stattgefunden. Vielleicht haben Sie auch Interesse, meiner Partei beizutreten.

Ich erlaube mir, Ihnen den Text meiner Antrittsrede mitzuschicken.

Mit „aussitzenden Grüßen“

Die Vorsitzende der DAP
E.Z.

Rede der Vorsitzenden der DAP

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich heiße Sie herzlich willkommen zur Gründungsversammlung der DAP, der Deutschen Aussitzer Partei. Ich bin Ihre Vorsitzende. Das dürfen Sie wörtlich nehmen, denn wie Sie sehen, sitze ich in einem roten Plüschsessel vor Ihnen. Allein daran können Sie mit bloßem Auge erkennen, daß ich Ihnen nichts verspreche, was ich nicht halte.

Ich habe einen besonders großen Saal angemietet, damit Sie alle, gemäß unserem Parteinamen und unserem Motto, bequem in Sesseln sitzen können. Zwar nicht in roten, aber dennoch jeder und jedem den eigenen Sessel.!

Sehr geehrte Anwesende! Sie haben es ja schon selbst bemerkt: Für die DAP ist SITZEN das Wort aller Wörter, ist SITZEN die Tätigkeit alle Tätigkeiten. Nun werden sich diejenigen unter Ihnen, die das analytische Denken noch nicht aufgegeben haben, möglicherweise fragen, ob man SITZEN, so wie unsere Partei es versteht, als Tätigkeit bezeichnen kann. Darauf antworte ich mit einem klaren JA! Die von mir propagierte Form des aktiven Aussitzens stellt eine Form des „passiven Handelns“ dar. Ist das verständlich rübergekommen? Nein? Offensichtlich sitzen Sie so bequem, daß einige von Ihnen bereits mit dem Schlaf kämpfen. Und das ist durchaus gewollt. Warum sollten Sie Ihre grauen Hirnzellen abnutzen, wenn ich doch eigens dazu hier sitze, Ihnen das Denken abzunehmen.

Liebe Aussitzerinnen und Aussitzer! Ich streife das Förmliche ab, denn wir wollen ja eine große Familie werden.Die DAP versteht sich als nicht- bildungsambitionierte Partei mit nicht- demokratischen Strukturen. Sehen sie, darin unterscheiden wir uns grundlegend von den etablierten Parteien. Wir versprechen nichts und halten alles. Haben mich alle verstanden? Nein? Macht doch nichts! Ich habe Ihnen die gute Nachricht ja schon mitgeteilt. Sie brauchen mich gar nicht zu verstehen. Ich nehme Ihnen das Denken und Handeln und die damit verbundene Verantwortung ab. Wer nichts macht, macht keinen Fehler, wird nicht kritisiert, kann sich nicht blamieren, ist nie auf der falschen Seite. Nun frage ich Sie, meine lieben Mitaussitzenden im Saale: Haben Sie sich eine solch seligmachende Lebensform nicht schon immer gewünscht? Nicht mehr auf eigenen Füßen stehen zu müssen, sondern sitzenbleiben zu können und für sich machen zu lassen. Ich weiß, daß Sie darauf schon lange gewartet haben. Das Warten hat sich gelohnt! Es lebe die DAP!

Ich erwähnte bereits am Anfang meiner Rede, daß das Verb SITZEN mit seinem Stamm und den davon abgeleiteten Formen, zu denen natürlich auch Sessel gehört, für mich von größter Bedeutung sind. STEHEN lehne ich als Unwort ab; LIEGEN fasse ich als eine verlängerte Form des SITZENS auf, die für den Nachtschlaf geeignet ist. Alles andere erledigen wir im SITZEN.

Zwar haben andere vor mir die Bedeutung des SITZENS erkannt; denken Sie z.B. an den Sitzplatz im Theater, der viel teuerer ist als ein Stehplatz. Dennoch bin ich die Erste, die das Sitzen und besonders das Aussitzen zur Grundlage einer Partei erkärt. Dazu brauchen wir keinen großen Parteiapparat, der nur Geld kostet. Das sparen wir uns.

Ich sage: Jedem seinen Sessel, und einer denkt für alle! Werden Sie Mitglied der DAP und bleiben Sie gemütlich in Ihrem Sessel sitzen. Sie können Ihren Beitritt per Handy erklären und den Mitgliedsbeitrag elektronisch an mich überweisen.

Unser Parteilogo besteht aus einem roten Plüschsessel vor blauem Hintergrund.Die Bedeutung des Plüschsessels brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären. Das Blau steht für das himmlische Dasein, das ich, verzeihen Sie den Versprecher, das Sie künftig führen werden. Ich verspreche Ihnen nicht den Himmel auf Erden, ich bringe Ihnen den Himmel auf Erden.

Liebe DAP-Familie. Für heute muß ich mich von Euch verabschieden. Ihr seid mir in der kurzen Zeit, die wir zusammen saßen, schon ans Herz gewachsen. Bevor ich mich jetzt hinaustragen lasse, noch einige technische Hinweise: Bitte beachtet beim Verlassen des Saales die Spendenboxen und die Überweisungsformulare mit meiner Kontonummer. Bitte macht Eure Freunde und Bekannten aufmerksam auf uns, die Deutsche Aussitzer Partei. Ich danke Euch, meine Lieben.